Zu den die Funktion des menschlichen Herzens negativ beeinflussenden Faktoren gehören neben dem Nikotinabusus sowie den Ernährungs- und Lebensgewohnheiten auch psychosoziale und sozio-ökonomische Aspekte welche in der akuten Phase der Herzinfarkttherapie meist keine Berücksichtigung finden.
Der Betroffene wird zu seinem, den Herzinfarkt auslösenden, Lebenswandel befragt woraufhin meist die Mahnung mit erhobenem Zeigefinger erfolgt dieses oder jenes zukünftig zu unterlassen.
Die den Herzinfarkt auslösenden Ereignisse (Gefäßverschluß) werden durch Stentanlagen oder Bypass Operationen behoben und der Betroffene nach kurzem Klinikaufenthalt in die sich anschließende Reha-Maßnahme entlassen.
Vom Herzinfarkt Betroffene sowie deren Angehörige durchlebten ein ihr Leben bedrohendes oder einschneidendes Ereignis welches ihr oder ihr gemeinsames Leben in den Grundfesten erschütterte. Die Konfrontation mit dem an der Tür klopfenden Sensenmann hinterlässt, bei allen direkt daran beteiligten, Eindrücke welche nur schwer zu verarbeiten sind.
Bis zu 50 Prozent der Betroffenen die einen Herzinfarkt überleben plagen sich anschließend mit Ängsten welche im schlimmsten Fall zu einer ausgeprägten Depression führen können.
In ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt trauen sich viele Betroffene nach einem Herzinfarkt nichts mehr zu was zur Folge hat, das sich ihre konditionelle Situation weiter verschlechtert was sie in dem Glauben bestätigt nichts mehr leisten zu können.
Diese Einschränkungen der Leistungsfähigkeit betreffen neben der Arbeitswelt des Betroffenen auch die normalen, das alltägliche Lebens des einzelnen sowie die in einer Partnerschaft miteinander lebenden.
Defizite in der Arzt-Patient-Kommunikation, zu denen Aussagen gehören die seitens des Betroffenen fehl interpretiert werden und zu einer Bestätigung seiner eh schon falsch eingeschätzten Gesamtsituation führen können, tun ihr übriges.
Bei der Psychokardiologie handelt es sich um eine Disziplin der Medizin welche sich auf die Zusammenhänge psychischer Belastungen und Herzerkrankungen spezialisiert hat.
Sie beschäftigt sich zum einen mit den die Krankheitsbilder auslösenden Faktoren oder zum anderen mit der Therapie der durch die Krankheit (zum Beispiel: Herzinfarkt) ausgelösten Komplikationen welche sich in Form von, zum Beispiel: Depressionen oder Ängsten, äußern können.
In vielen Kliniken gehört die psycho-kardiologische Betreuung der Herzinfarkt Betroffenen zum festen Bestandteil des Therapieplanes während andere Kliniken, welche sich zwar auf die Behandlung von Herzinfarkten durch Einrichtung von Herzkatheterplätzen der Spezialisierung hingeben, keine nachhaltige Betreuung ihrer Infarkt Betroffenen anbieten.
Ein nicht bis zum Ende durchdachter Prozess welcher im Widerspruch zum ganzheitlichem Therapieansatz steht da die Verbindung psychischer Belastungen vor dem kardialen Ereignis ebenso belegt sind wie die mitunter in Depressionen endende Verarbeitung des erlebten Herzinfarktes.
Vieler Orts erfahren die zur Behandlung kommenden Menschen nur eine situative Aufklärung verbunden mit mahnenden Worten zur bisherigen Lebensführung anstatt das sich mit der bisherigen Lebensführung und den zum Herzinfarkt führenden Komplikationen ernsthaft auseinander gesetzt wird.
Eines der Themen, die Arbeitswelt betreffend, wird meist seitens des Sozialdienstes oder während der Visite angeschnitten jedoch nicht ernsthaft behandelt oder als Thema zur Aufarbeitung in die sich anschließende AHB/Reha des Betroffenen übergeben.
Sexualität, depressive Verstimmungen oder die Konfrontation mit dem an der Tür klopfendem Tod verbleiben als Thema beim Betroffenen der sich wie auch immer geartet, ohne jegliche professionelle Unterstützung zu erfahren, damit auseinandersetzen wird, sich mit seiner nicht mehr vorhandenen Sexualität abgibt, seiner depressiven Verstimmung hingibt, sich isoliert oder in eine nach abwärts gerichteten Spirale begibt und in Selbstmitleid vergeht.
Nicht jeder Betroffene eignet sich für die Teilnahme an Selbsthilfegruppen da er Ängste in Bezug auf die Kommunikation seiner Privatsphäre vor den ihm fremden Menschen hat oder mit den ihn in seinen intimsten Bereichen betreffenden Themen nicht hausieren gehen will.
Wenn schon keine professionellen Gespräche in der Klinik zu erwarten sind und sich die ärztliche Kommunikation auf die Vermittlung von Vorwürfen und Schuldzuweisungen reduziert, dann sollte jedoch zumindest eine ausführliche Broschüre zum Thema „Das Leben nach dem Infarkt“ oder eine Liste mit den interessantesten Internet Links zum Thema „Das Leben nach dem Infarkt“ ausgehändigt werden.
Das Aushängen von Zertifikaten in den Eingangsportalen vielen Kliniken, welches ein Gefühl guter Versorgung suggerieren soll, sollte, wenn schon nicht vom Betroffenen selbst so dann wenigstens von den Angehörigen, kritisch hinterfragt werden um eine wirklich gute Versorgung, die auch die Zeit nach dem Klinikaufenthalt betrifft, zu gewährleisten.
Wie gestaltet sich die Therapie meines Angehörigen?
Wie reagiert mein Angehöriger auf die Therapie?
Was können wir tun damit die Genesung weiter voran schreitet?
Welche Möglichkeiten bestehen für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt?
Wo kann ich mich über den weiteren Verlauf erkundigen?
Welche Einschränkungen sind für das weitere Leben zu erwarten?
Wie gehe ich mit meiner (als Angehöriger) Angst um?
Wo kann ich mich mit Informationsmaterial zu der Problematik meines Angehörigen ausstatten lassen?
Welche Komplikationen können nach dem Klinikaufenthalt auftreten?
Nur einige Beispiele für Fragen die gestellt werden können. Passen sie diese ihrer persönlichen Situation an und konfrontieren sie den behandelnden Arzt mit den sie belastenden Themen.
Ganzheitliche Versorgung wird zu einer Begrifflichkeit mit der auch Kliniken versuchen sich in der gesundheitlichen Versorgung von Menschen von der Masse abzuheben insofern sollte man auch nach den Inhalten oder den Umfängen der propagierten ganzheitlichen Versorgung fragen.
Die seitens der Ärzteschaft gestellte Frage: „Sie wollen doch nicht das ihr Angehöriger stirbt?“ verlagert die Last der Entscheidung auf den oder die Angehörigen selbst wodurch er (der behandelnde Arzt) in eine passive, abwartende Haltung gerät die ihn zum reagieren nicht jedoch zum agieren nötigt.
Man stelle einem Arzt auch mal die Frage: „Was stellen sie sich als therapeutisches Konzept für meinen Angehörigen vor und welche Fortschritte für meinen Angehörigen versprechen sie sich davon?“
Dann lässt sich auch eine Entscheidung herbei führen insofern man sich als betroffener Angehöriger die notwendigen Fakten nicht zusammen suchen muss sondern diese vom behandelnden Arzt erfährt.
Das therapeutische Konzept sollte eine Analyse der momentanen Situation, der geplanten therapeutischen Maßnahmen sowie Aussagen zu eventuellen Abweichungen in die eine oder andere Richtung enthalten und nach Möglichkeit Wege für die Zeit nach dem Klinikaufenthalt aufzeigen oder zumindest Fakten in Bezug auf Ansprechpartner oder Informationsmaterialien liefern.
Wenn schon der psychokardiologisch geschulte Arzt nicht von selbst oder im Rahmen der Visite am Krankenbett der Klinik erscheint so wäre der Hinweis auf ein psychokardiologisches Konsil das mindeste an Information welche man in einer KTQ zertifizierten Einrichtung mit Herzkatheterplatz und kardiologischer Spezialisierung erhalten sollte.
Die psychokardiologische Betreuung sollte zum Standard der sich auf die Behandlung akuter kardiologischer Probleme spezialisierenden Kliniken gehören oder während der Zertifizierung nach KTQ thematisiert werden.