Sprich mit mir, nicht über mich

Nachdem mich eine Schwester mit Hilfe eines Rollstuhles auf die entsprechende innere Station des Nauener Krankenhauses gebracht hatte, gab sie mir mit auf den Weg das ich mich nur auf dieser Etage aufzuhalten hätte.

In diesem Zusammenhang fiel mir die Aussage des Physiotherapeuten ein, welcher mit mir den Flur der Intensivstation auf und ab gelaufen wäre, wenn man mich nicht verlegt hätte.

Angekommen in einem Vierbettzimmer, an einem Fensterplatz häuslich eingerichtet und der Worte mit meinem bislang einzigen Zimmergesellen genug gewechselt, begab ich mich auf die Pirsch, den Flur entlang. Da ich weder eine Spritze zur Blutverdünnung erhalten hatte noch über Antiemboliestrümpfe verfügte, verschrieb ich mir langsames laufen den Flur entlang als Thromboseprophylaxe.

Der Flur war nicht sonderlich lang, rang mir jedoch einiges ab so dass ich mich dabei ertappte wie ich mich am Geländer festhielt und froh war den mit Stühlen ausgestatteten Vorplatz zum Fahrstuhl zu erreichen. Pause, das war es erstmal. Geschicktes platzieren lässt dich gelangweilt und nicht geschafft wirken während du aus dem Fenster in den Park schaust. Hätte mir das jemand erzählt das es mir jemals derart Mühe machen würde einen Flur entlang zu laufen, ich hätte ihn belächelt, wohlwollend genickt und „Was ein Schwätzer“ gedacht.

Ausruhen und wieder zurück. Ins Zimmer, auf´s Bett, Kopfhörer auf und Fernseher an.

Mein Zimmergeselle, ein älterer Herr mit Synkope unklarer Genese verbrachte schon einige Tage hier im Haus. Seine Frau hätte die Feuerwehr gerufen da sie ihn auf dem Boden liegend vorgefunden hatte woran er jedoch keinerlei Erinnerung hat. Er wurde neurologisch untersucht und wartet auf den Befund. Ein Blick auf den Kalender verrät das diese Untersuchung bereits zwei Tage her ist.

Der Flur ruft, da geht noch was, diesmal geht´s die große Runde über die benachbarte Station in Richtung der mir bekannten Sitzecke. Auf dem Weg dahin noch eine Flasche Wasser aus dem Automaten für die Regeneration und zur Unterstützung der von mir meiner Person verschriebenen Prophylaxe. Schlimmer, weil länger und kraftraubender erreiche ich die Sitzecke.

Auf dem Weg in Richtung Zimmer erwischt mich die Spätdienst-Schwester der statt eines freundlichen „Guten Tag“ nur ein mürrisches „Immer nur am Laufen!“ zu entlocken war. Mein Einwand ich würde mich an dem orientieren was man mir seitens ihrer Kollegin mit auf den Weg gegeben wurde, verhallte ungehört.

Wir wurden Freunde! Nicht in diesem Leben aber zumindest hatten wir es versucht aufeinander zu zugehen um in Kontakt miteinander zutreten um uns fachlich auszutauschen.

Visite, mehrere Weißkittel betreten den Raum um sich am Fußende meines Bettes zu positionieren. Keine Ahnung wen oder was diese Herrschaften repräsentieren, meine Interessen vertreten sie jedenfalls nicht, da ich in diese Unterhaltung nicht involviert werde.

„50 jähriger Patient, ..Raucher, ..Samstag Nacht zur Stentanlage, …Zustand nach Vorderwandinfarkt, …. gestern Verlegung von ITS, …. hier zur Nachsorge, ….“ Szenenwechsel, Abgang der Akteure, nächstes Bett, inhaltlich auf die Belange des Bettnachbarn abgestimmt, ohne Verabschiedung wird das Zimmer verlassen.

Meine Lieblings-Spätdienst-Schwester begrüßt mich mit einem freundlichen „Ach, Herr Kimble.“ womit ich mich jedoch nicht zufrieden gebe, da ich mich nicht als Flüchtigen sondern eher als Laufenden sehe, worauf ich ihr ein „Gebrselassie trifft es eher.“ entgegne. Sie macht zu, anscheinend ist ihr die Marathon Legende Haile Gebrselassie nicht geläufig.

Es ist Dienstag: Mein Zimmergenosse murrt rum, da ihm niemand Auskunft zu einen eventuellen Befund aus der Neurologie erteilen kann.

Der Tag zieht sich, das Mittagessen wird serviert und just in dem Moment als sich die Herren, wir sind mittlerweile zu viert im Zimmer, zur Tafelrunde treffen und beginnen wollen sich an den Köstlichkeiten der Krankenhausküche zu laben, öffnet sich die Zimmertür und drei Weißkittel, von denen einer eine Pflegekraft ist, erscheinen zur Visite.

Und wieder spricht man über mich anstatt mit mir. „Das ich in vier Wochen nach Kenia fliege und 4 Tage Safari mache, daraus wird nix, oder ?“ Ich blicke lächelnd in ungläubige Gesichter die, während ich nachsetze indem ich mir schon selbst die Antwort gebe und ergänze: „Okay, eher nicht, war nur ne Idee aber vielleicht könnten sie mir sagen was das für Medikamente sind die ich scheinbar täglich zu mir nehmen muss!?“ Die einzige Frau, welche sich beim Blick auf die im Stationsflur befindliche Mitarbeitertafel als Oberärztin herausstellt, gibt mir klar zu verstehen: “ Sie nehmen nichts was ihnen nicht bekommt. Sie erhalten Medikation nach internationalem Standard.“ Ende der Ansage. Man begibt sich zu meinem Nachbarn um diesem nur kurz zu erklären das immer noch kein Befund aus der Neurologie vorliegt und verlässt grußlos das Zimmer.

Das tägliche Visiten in Krankenhäusern durchgeführt werden ist eigentlich nichts neues. Das an dieser jedoch auch Ärzte teilnehmen die Fakten schaffen war jedoch eine für mich neue Erfahrung in diesem Hause.

Zum Hergang: Die Zimmertür öffnet sich und vier Ärzte bahnen sich den Weg von Patientenbett zu Patientenbett. Bei mir angekommen begrüßt mich ein mir bekanntes Gesicht mit den Worten: „Ach sie sind´s!  Wie isses? Alles gut? Ja! Na dann weiter so und Freitag spätestens Samstag geht´s nach Hause. Alles klar!? Tschüss bis in sechs Wochen.“  Nachbarbett. Noch fehlender Befund aus der Neurologie. Der Kalender zeigt Mittwoch, demnach sechs Tage nach durchgeführter Untersuchung. Die sich nicht vorstellenden Stationsärzte sowie die anwesende Oberärztin berichten über die wahrscheinlich neurologische Diagnose des Herrn X und den noch ausstehenden Befund von der letzten Freitag durchgeführten Untersuchung als es aus dem Oberarzt herausbricht man solle gefälligst den Befund ranschaffen damit der Mann entweder nach Hause entlassen oder entsprechend weiter behandelt werden könne.

Herr X verliess am Mittwoch Nachmittag die Klinik in Richtung Heimat ohne nennenswerten Befund lediglich mit dem Hinweis regelmäßig Nahrung zu sich nehmen zu müssen und das Trinken nicht zu vergessen.

Donnerstag war ein ruhiger Tag. Ein Tag an dem man mich während der Visite darüber informierte, das man vor meiner Entlassung noch ein Belastungs-EKG durchführen will bei dem ich bis maximal 75 Watt bewältigen müsste. Um 12:00 Uhr sollte ich mich in der Funktionsdiagnostik einfinden. „Und sehen sie zu das sie rechtzeitig da sind, wir fangen nur ungerne ohne sie an.“ Wir feiern Premiere und ich lass ihn daran teilhaben in dem ich ihm ein freundliches: “ Schön das sie mal mit mir und nicht immer nur über mich sprechen.“ mit auf den Weg gebe.

Während der Stationsarzt durch Abwesenheit glänzt sitze ich instruiert und verkabelt auf dem Fahrradergometer. Um zehn nach zwölf  fordere ich, mit einem Lächeln im Gesicht, die für die Ergometrie zuständige Schwester auf den Arzt davon in Kenntnis zu setzen das alles vorbereitet wäre und er sich nun einfinden könne. Nachdem sie das Telefonat beendet hat lächelt auch die Schwester und fügt nur ein „Das ist er nicht gewohnt.“ hinzu.

Er lässt mich statt der vereinbarten 75 Watt mit 100 Watt ohne nennenswerte Auffälligkeiten strampeln und interpretiert meine Versuche den richtigen Atemrhythmus zu finden als Kurzatmigkeit und Zeichen eines jahrelangen Nikotinabusus. Ich gönne ihm den vermeidlichen Sieg in der Gewissheit am Freitag noch ein Frühstück zu mir zu nehmen um dann diesen heiligen Hallen leb wohl zu sagen.

Es grüßt der „Herzkasper“

Author: admin

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