Heute auf den Tag genau ist es ein Jahr her das ich meinen Infarkt erlitten habe.
Je näher dieser Tag rückt umso mulmiger wird mir. Die ganze Woche schon horche ich in mich hinein, achte auf jedes Druckgefühl im Brustkorb, jede Extrasystole, jedes Flimmern meines Vorhofes hat eine andere Qualität, erhält eine viel größere Aufmerksamkeit als in den letzten Wochen.
Sollte es heute wieder passieren liegt es nicht an den Umständen in denen ich lebe sondern an der Anspannung die in mir herrscht. Sollte es heute erneut passieren ist das Problem hausgemacht, resultiert aus der Panik welche mit diesem Termin einhergeht.
Heut werde ich nicht an der X-Box daddeln, hab ich seit einem Jahr schon nicht mehr gemacht, sondern vor meiner Frau ins Bett gehen.
Am 06.09.2013, es war ein Freitag, habe ich in den späten Abendstunden meinen Vorderwand-Infarkt erlitten. Aus heiterem Himmel, unangemeldet. In der Nacht zum Samstag fand ich mich in der Havelland Klinik Nauen liegend zur Stentanlage wieder nachdem mir ein Anästhesist eine erstklassige Erstversorgung in unserem Schlafzimmer angedeihen ließ.
Also ist dieser Freitag mit Angst und Schrecken belegt, meine Hände sind feucht, meine Betablocker brauche ich heute dringender denn je.
Während ich diese Zeilen schreibe spüre ich die Aufregung in mir aufsteigen. In meinen Fingern verspüre ich ein leichtes Zittern, die Handinnenflächen werden zunehmend feucht.
Erinnerungen an diesen Tag steigen in mir empor.
Doch Heute ist alles anders. Im Job empfinde ich Eu-Stress, das was ich mache bereitet mir Spaß, ich gehe, im Gegensatz zum vergangenen Jahr, gerne arbeiten, ich ernähre mich anders und bewege mich mehr.
Also kein Grund zur Sorge?
Dennoch kann einem niemand dieses ungute Gefühl nehmen welches, je näher dieses einschneidende Datum rückt, in einem emporsteigt.
Das ist KEIN Tag wie jeder andere. Er hat eine andere Qualität. Egal ob die Sonne lacht oder der Himmel weint. Er ist unverrückbar mit diesem Ereignis verbunden. Jetzt, heute und für alle Zeit.
Die ersten 12 bis 36 Monate nach dem ersten Infarkt gelten als die Risikoreichsten insofern sich der Betroffene an einen neuen Lebensstil gewöhnt oder in alte Verhaltensweisen zurück fällt.
Ein schmaler Grad auf dem man wandelt.
Es gibt gute wie schlechte Tage, wobei die Guten überwiegen. Hohe Temperaturen schaffen mich, lassen mich schnell erschöpfen. Häufig treten Schwindelgefühle auf, unabhängig von den Medikamenten dreht sich schon kurz nach dem aus dem Bett steigen die Welt um mich. Meine Beine schwellen an wenn ich viel im Auto unterwegs bin oder am PC sitze.
Temperaturen unter 25° C mildern die Symptome, lassen es erträglicher werden wobei kleine körperliche Anstrengungen schon zu Schweißausbrüchen führen.
Nun jährt sich also zum ersten Mal der Tag an dem sich mein Brustkorb derart verengte das ich eine Todesangst verspürte, es nur der besonnenen Reaktion meiner Lieblingsfrau zu verdanken habe das ich noch hier bin und sich mein Leben nach dem Herzinfarkt veränderte.
Vermutlich teile ich dieses Datum, diese Gefühle, dieses Unwohlsein mit meiner Lieblingsfrau. Wir werden diesen Tag wohl einander nicht aus den Augen lassen. Der eine die Angst im Nacken das etwas passieren könnte während der andere Angst davor hat das er allein sein könnte wenn etwas passiert.
