Stent für Stent kehrt Ruhe ein

Fünf Wochen bis zum nächsten Kliniktermin und die Gewissheit, das der Sensenmann mein ständiger Begleiter sein wird. Das Gefäß der Vorderwand wurde mit einem Stent versorgt. Die Arterie der Hinterwand ist zu 70 Prozent verschlossen und ich laufe Gefahr den nächsten Infarkt zu erleiden. Wo ist meine Belatungsgrenze? Was kann ich mir zumuten? Was sind 100 Watt auf dem Ergometer umgesetzt in körperlicher Beanspruchung?

Die Tage verbringe ich auf der Terasse sitzend, in den Garten starrend, Sodoku´s lösend oder vor dem PC.

Belastung kommt nur in Frage wenn meine Lieblingsfrau von Arbeit kommt. Eine Scheißangst begleitet mich Tag ein Tag aus. Ständig in mich hinein horchend, achte ich auf jedes ziehen in meiner Brust. Jedes drücken, jedes ziepen lässt mich erstarren oder in dem was ich gerade mache inne halten.

Fünf Wochen gilt es zu überbrücken. Es regnet. Dieses Wetter schlägt auf´s Gemüt. Als wäre das alles – allein zu Haus – Angst – grauer, wolkenverhangener Himmel – nicht schlimm genug, regnet es in einer Tour, mitunter so stark das man noch nicht einmal mehr auf der Terrasse sitzen kann.

Meine Stimmung ähnelt von Tag zu Tag dem Grau des Himmels. Meine Gedanken kreisen um „Tod und Sterben“ und die Beschäftigung mit WordPress und unserer alten Homepage reisst Wunden auf. Die Auseinandersetzung mit unserem gemeinsamen Leben, der Anblick von Bildern aus unbeschwerten Zeiten, unserer Hochzeit, unseren Urlauben lässt mich in meinem Grau versinken und weinen.

Die gemeinsamen Tage sind es welche ich geniesse, denn diese sind in der Minderheit. Mein Umfeld – mit wenigen Ausnahmen – reduziert mich auf meinen Infarkt, man spürt förmlich die Unfähigkeit anderer mir gegenüber zu treten. Zum einen ist es die Fassungslosigkeit über das Geschehene zum anderen die Tatsache das man ungläubig dem Menschen gegenüber steht welcher vor wenigen Wochen erst dem Tod in die Augen geschaut hat und der doch bitte zu Hause auf der Couch liegen und sich schonen müsste.

Unbedarft, regelmäßig kleine Pausen einlegend, erledigen wir bei – endlich – herrlichem Sonnenschein Gartenarbeit bis eine Hand mein Herz zu umschliessen scheint und ein Schmerz aus meiner Brust über die linke Schulter in den Arm schiesst. Schweiß steht auf meiner Stirn als ich mich in Richtung Terrasse ums Haus schleppe. Nach Luft ringend blicke ich in die erschrockenen Augen meiner Lieblingsfrau und versichere ihr das alles gut wäre, ich jedoch nicht mehr weiter mache. So fühlen sich also über 100 Watt erbrachte Leistung an.

In der letzten Woche vor meinem nächsten Stent lacht die Sonne. Ich sitze nur da, auf der Terasse und blicke durch den Garten, löse Sodoku´s oder sitze am PC.

Meine Lieblingsfrau begleitet mich in die Klinik, wohnt dem Aufnahmegespräch bei und klebt dem Arzt förmlich an den Lippen als dieser nimmer müde wird ihr Auskunft zu Diagnosen und Befunden der ersten, der akuten Behandlungswoche zu geben.

Nach dem nächsten Stent kehrt Ruhe ein.

Da ist es wieder, das Gefühl welches mich bei meinem letzten Klinikaufenthalt so jäh verlassen hatte als man mich von der Intensivstation zur Peripherie verlegte. Sicherheit. In mir bekannte Gesichter blickend, grüße ich jeden einzelnen der Anwesenden mit Namen.

Es werden zwei Stents die gelegt werden um Bereiche einer Hinterwandarterie, welche mittlerweile zu 75 Prozent verschlossen ist, wieder durchgängig zu machen.

Sechs Stunden liegen, am nächsten Tag wird gelaufen und dann gehts nach Hause. Eine Grippe rafft mich dahin. Blutdrücke um 160 mmHg systolisch, ich laufe Gefahr länger in der Klinik bleiben zu müssen. Ruhepuls bei 110, wenn mann in einer solchen Situation überhaupt von Ruhe sprechen kann. Ständig schnaubend und niesend erhalten die am anderen Ende des Monitorings sitzenden Werte die scheinbar auf Komplikationen hinweisen.

Dem Wunsch der Oberärztin länger in ihrer Klinik zu verweilen kann ich leider nicht nachkommen, da ich fest entschlossen bin meine Erkältung zu Hause auf der Terrasse zu kurieren bevor es am darauffolgenden Montag zur Reha geht.

Es grüßt der „Herzkasper“

Author: admin

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