Elefant auf der Brust

Alles war wie immer. Begann doch dieser Freitag ebenso wie all die Freitage zuvor.

Morgens Meeting in der Firma. Die Kollegen treffen, sich austauschen, hören wie es läuft oder auch wo es nicht läuft.

Die in der vergangenen Woche durchlebte Magen-Darminfektion schien immer noch nicht überstanden. Ein Gefühl der Übelkeit, des ausgepowert sein war mein ständiger Begleiter.

Anschließend kurzes Gespräch mit den Geschäftsführern, klare Instruktionen über die zukünftige Ausrichtung meiner Tätigkeit analog zu den im Vertrag definierten Inhalten. Für mich bedeutete dies, zukünftig keine aktiven Wund & enteralen Versorgungen mehr sondern Key Account, Qualitätsmanagement und Organisation der Vertriebsstruktur. Konzept erstellen, Präsentation im kleinen Rahmen am darauf folgenden Dienstag. Kein Problem, sehr gerne, schönes Wochenende.

Im Anschluß daran noch einige Kundenbesuche und Wundvisiten um sich dann ins wohlverdiente Wochenende zu verabschieden.

Über den nördlichen Berliner Ring gehts in Richtung Kreuz Oranienburg, Abfahrt Hennigsdorf, kurzer Blick auf die Uhr, Stopp im Baumarkt oder eher nicht.

Nee, erstmal nach Hause. Feierabendkaffee mit meiner Lieblingsfrau bei herrlichem Sonnenschein auf der Terrasse.

Nach dem Motto: was du heute kannst besorgen, entschließe ich mich doch noch in den Baumarkt zu fahren. Mittlerweile 19:00 Uhr, meine Lieblingsfrau mäht den Rasen.

Abendessen, den Tag auf der Couch ausklingen lassen, trotz Sky wird gezappt da es mir schwer fällt mich für eine der unzähligen Wiederholungen zu entscheiden.

Meine Lieblingsfrau zieht die Notbremse und geht zu Bett.

Und nu??? XBox gestartet und Level 15 von Sniper Ghost Warrior gestartet. Delta Three bei der Befreiung der Zivilisten unterstützt. Ich hänge, immer und immer wieder scheine ich irgendetwas, irgendwen zu übersehen. Neuer Tag neues Glück.

Eine letzte Zigarette auf der Terrasse, der Sternenhimmel lädt zum verweilen ein. Blinkende Lichter der startenden und Tegel zur Landung anfliegenden Flugzeuge säumen den Horizont. Es ist viertel vor Elf, die Spuren des Abends werden beseitigt, die Couchkissen aufgeschüttelt.

Aus heiterem Himmel ein Schmerz im Brustkorb, Übelkeit, ich ringe nach Luft, überlege nochmals nach draussen auf die Terrasse zu gehen um frische Luft zu schnappen. Der Gedanke wird schnell verworfen, da sich der Ring um meine Brust nochmals enger zusammen zieht. Vom Schmerz derart gepeinigt sacke ich im mir zusammen. Auf allen vieren robbe ich ins Schlafzimmer und rufe den Namen meiner Lieblingsfrau: „Mela“ zum wiederholten Male rufe ich ihren Namen: „Mela“ Ein „Mmhh“ erhalte ich zur Antwort. Erst als ich auf dem Bett liegend, sie mit meiner Hand an ihrer Schulter rüttel, ich sie bei ihrem ganzen Namen anspreche schreckt sie auf, hört meine Schmerzäußerungen und sieht mich wie ein Häufchen Elend, vor Schmerzen gekrümmt und mit Schweißperlen auf der Stirn auf dem Bett liegen.

In ihrer Ohnmacht die Situation betreffend, weinend ob dieses für sie unfassbaren Anblickes, entscheidet sie sich für das einzig richtige und wählt die 112.

Die Frau am anderen Ende der Leitung wirkt beruhigend auf sie ein und versichert ihr das einzig richtige getan zu haben. Nun liegt es an ihr alles weitere zu veranlassen, der Notarzt ist auf dem Weg.

Wie eine der Freiheit beraubten Großkatze läuft sie zwischen dem sich vor Schmerzen wimmernden und gekrümmt auf dem Bett liegendem Mann und der Straße hin und her. Angst macht sich auf beiden Seiten breit. Auf der einen Seite die Angst der Notarzt würde nicht rechtzeitig eintreffen und alles zum Guten wenden und auf der anderen Seite Angst dem Tode geweiht zu sein.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, die sich im Nachhinein als 15 Minuten herausstellen, treffen sie ein.

Meine Panik weicht beim Anblick der ins Schlafzimmer drängenden Herren. Ruhig, eben so wie ich es mag und bis zum heutigen Nachmittag selbst meinen Kunden habe angedeihen lassen, schildert uns der Notarzt die Situation und die weitere Vorgehensweise. „Schmerzen sind fortan kein Thema mehr“ entgegne ich dem Notarzt sich als dieser sich als Anästhesist outet. Als klar wird, das wir in derselben Branche tätig sind entspannt sich die Situation insofern erneut , als das man sich nun meiner Lieblingsfrau widmet und ihr die Details meines Leidens erklärt und sie darin bestätigt alles richtig gemacht zuhaben was dazu führt die magischen 90 Minuten bis zum Stent einhalten zu können.

Der venöse Zugang liegt, 10 mg Morphin sind injiziert, mein EKG ist vorbildlich und zeigt eine klassische ST-Strecken Hebung.

Auf dem Weg in die Klinik erhalte ich nochmals 10 mg Morphin um den, wie der Arzt es umschreibt, „Elefanten von meiner Brust zu nehmen“.

Author: admin

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