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Am 06.09.2013 habe ich meinen ersten, und hoffentlich einzigen, Vorderwand-Infarkt erlitten.
Mit brachialer Gewalt überkam mich dieses Ereignis kurz vor dem zu Bett gehen.
Riss mich nieder auf die Knie und vermittelte mir eine bis dahin nie gekannte Angst um mein Leben. Angst, das dieses Leben nun sein Ende nehmen könnte und unser Wohnzimmer das letzte wäre was ich zu sehen bekäme.

Meine Lieblingsfrau schlief schon, was die Situation für mich nicht angenehmer gestaltete da mir diese sich um meinen Brustkorb legende Enge die Luft zum Atmen nahm.

Sie zu wecken, über meinen Zustand zu informieren in der Hoffnung sie würde das einzig richtige tun, war mein Ziel dem ich auf allen vieren über den Boden kriechend immer näher kam.

Diese Enge, dieser Schmerz war unbeschreiblich und musste dem entsprechen was im allgemeinen als Vernichtungsschmerz beschrieben wird.

Sie tat das einzig richtige, rannte zum Telefon, wählte die 112, um der Dame am anderen Ende der Leitung präzise Angaben zu meiner Situation zu machen um dann wieder zu mir zurück zu kehren.

Mich beobachtend, mich beruhigen wollend um dennoch nicht bei mir zu sein da sie mit ihren Sinnen auf der Straße war und den Notarzt erwartete.

Klinikflur

Klinikflur

Die einzig positiven Erinnerungen welche im Zusammenhang mit der Versorgung dieser kardiologischen Krise stehen habe ich in Bezug auf das beherzte Vorgehen meiner Lieblingsfrau (der ich mein Leben verdanke), dem kurz darauf eintreffenden Notarzt Team, den Mitarbeitern des Herzkatheter Labors sowie den Ärzten und Pflegekräften der Intensivstation.

Auf das was sich daran anschloss hätte ich gut und gerne verzichten können, da es sich in Puncto pflegerischer wie ärztlicher Versorgung um Nullnummern handelte auf welche einzugehen nicht lohnt.

An die Zeit welche zwischen den Stentversorgungen lag erinnere ich mich äußerst ungern, da sie geprägt war von der Ungewissheit inwieweit ich mich belasten könnte ohne gesundheitliche Einschränkungen davon tragen zu müssen.

Eine Zeit in der meine Gefühlswelt völlig aus den Fugen geriet. Zwischen Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, wobei das herbstlich anmutende Wetter sein übriges dazu beitrug.

Es reichten Filme oder Beiträge im Fernsehen in denen es um Krankheit, Verlust und Trauer ging um Sturzbäche an Tränen zu vergießen. Die Zeit zwischen den Stents nutzen wollend habe ich mich mit unserer Homepage beschäftigt, mich mit WordPress rumgeschlagen, Bilder sortiert, geheult, Artikel geschrieben und überarbeitet.

Wie ein Stromschlag durchfuhr mich der Schmerz an einem herrlichem Spätsommertag an dem wir leichte Gartenarbeit verrichteten. Eine Enge in der Brust, einen Schmerz der bis in die Fingerkuppen schlug und Angst in mir auslöste.

Die sich an die weitere Stentanlage anschließende Reha in Wolletz betrachtete ich als Möglichkeit unter kontrollierten Bedingungen meine Leistungsfähigkeit zu steigern und mit mir ins Reine zu kommen.

An einer Bank am Wolletz See

An einer Bank am Wolletz See

Meine, aus Sicht aktiver Sportler, lächerlichen Leistungen auf dem Laufband bei 4 bis 5 Km/h und 6 Prozent Steigung für 20 bis 30 Minuten haben mich an den Rand des Wahnsinns getrieben. Patsch Nass, als wäre ich im Regen spazieren gegangen habe ich den Raum verlassen um über das Treppenhaus zu meinem Zimmer in die zweite Etage zu gelangen. Geduscht, anschließend gewandert von einem Ortsschild zum anderen, durch den Wald am See entlang.

Genossen habe ich die Momente in denen ich allein am See sitzen konnte. Diese Ruhe, dieser von dieser Umgebung ausgehende Frieden.

Das eine oder andere Mal habe ich mich gefragt ob mich je einer finden würde wenn mir etwas passieren würde.

Nach 3 Wochen wieder zu Hause drängte sich die Frage nach dem „Wie geht es weiter“ immer mehr in den Vordergrund. Termine und Gespräche mit meiner behandelnden Ärztin taten mir gut und verschafften mir Luft um eine persönliche, mein zukünftiges Berufsleben betreffende Entscheidung zu treffen.

Danke Silvia für den professionellen medizinischen und psychosomatischen Beistand, die Ruhe die ihr beide ausstrahlt und die Empathie welche ihr euren Patienten entgegen bringt!

Trotz all der medizinischen Betreuung blieben offene Fragen in Bezug auf eine Herz gesunde Ernährung, Bewegung und sportliche Aktivitäten, Sex nach dem Infarkt, Reisen oder zum Thema beruflicher Wiedereinstieg welche weder während der klinischen Phase noch während der Reha in irgendeiner Form thematisiert wurden.

Was ich mir gewünscht hätte, gerade im Hinblick auf die sich mit einer KTQ Zertifizierung rühmende Havelland Klinik in Nauen, wäre eine Informationsbroschüre zum Thema Leben nach dem Infarkt oder die Möglichkeit einer psycho-kardiologischen Betreuung nach diesem, für uns, traumatischem Ereignis.

Was ist das für ein Druck in meiner Brust? Was hat es mit diesem stechen, pieksen im Bereich der Herzspitze auf sich? Kommt dieses brennen im Aortenbogen vom vorschieben der Katheter? Ich spüre meinen Vorhof flimmern! Manchmal, abends, in Ruhe. Was soll ich davon halten?

Während vorschnell, ohne jegliche Biographiearbeit geleistet zu haben mancher Arzt den Nikotinkonsum als Verursacher des Infarktes identifizierte, relativierten andere Ärzte, diese mit erhobenem Zeigefinger vorgebrachte Anklage, nachdem sie biografisch gearbeitet hatten und eine genetische Disposition als viel wahrscheinlicher ansahen.

Google ist mir dabei keine große Hilfe, verunsichert mich auf Grund der Fülle an Informationen eher nur.

Komisch auch wie viele Mediziner plötzlich in unserem persönlichem Umfeld leben von denen ich bisher annahm das sie andere Berufe ausübten.

Komisch auch das ich während der Reha Menschen kennen lernen durfte deren gesunde Lebensweise sie dennoch nicht vor einem Infarkt schützte. Einen amtierenden Weltmeister in der Altersklasse über 60 Jahre der sein Leben dem Sport verschrieb, sich gesund ernährte, dem Noxen (Rauchen, Alkohol) fremd waren und der dennoch einen schweren Herzinfarkt erlitt.

So wie mir geht es vielen anderen Herzinfarkt Betroffenen welche allein auf sich gestellt, von medizinischer Seite zwar mit Medikamenten versorgt, jedoch nichts über das Leben nach dem Infarkt erfahren haben.
Kein, es könnte sein das, …. Kein, eventuell kommt es zu, … Kein, möglicherweise spüren sie, ….

So berichten Herzinfarkt Betroffene, welche aus Angst vor einem Re-Infarkt mit Blutdruck Entgleisungen oder Schmerzen und Engegefühl in der Brust die nächstliegende Klinik aufsuchen, davon das sie von den dort Dienst habenden Ärzten als hysterisch bezeichnet oder als Hypochonder betitelt wieder nach Hause entlassen wurden.

Das hier zum Teil Angst um das eigene Leben eine Rolle spielt oder die Betroffenen Opfer einer nicht stattfindenden Arzt – Patient Kommunikation geworden sind spielt hierbei scheinbar keine Rolle.

Was es heißt einen Infarkt überlebt zu haben kann nur beurteilen wer sich damit konfrontiert sah.

Um die Zeit welche ich zu Hause verbracht habe mit sinnvollen Inhalten zu füllen habe ich einen Kurs zum Qualitätsmanagement Beauftragten erfolgreich absolviert.

Meinen alten Job habe ich gekündigt! Mit meiner Lieblingsfrau war ich im Urlaub. In meinem Portemonnaie befindet sich ein McFit Ausweis. Seit nunmehr vier Wochen gehe ich einer Beschäftigung bei einem neuen Arbeitgeber nach. Im Oktober werde ich Opa.

Das Leben geht weiter, nur eben anders. Ein Prozess des ständigen auslotens der Belastungsgrenzen im Job ebenso wie im privatem Leben.

Author: admin

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