Alter Hals

Meine Lieblingsfrau sitzt mir gegenüber, wir geniessen die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse, trinken unseren Feierabendkaffee und mitten im Satz, unangemeldet, aus dem Nichts heraus und völlig aus dem Zusammenhang gerissen bricht es aus ihr heraus.

„Nickelmann, hast du einen alten Hals!“

Ich bin sprachlos, starre sie an, höre es immer und immer wieder wie sie sagte, ich hätte einen „alten Hals“. Mir wird heiß und dennoch ist mir kalt, mein entsetzen über das was mir gerade mitgeteilt wurde ist unübersehbar. Kneif mich, schüttel mich, tu irgendwas aber weck mich aus diesem Traum. Diesem Alptraum!

Als wenn gesagtes nicht reichte, setzt sie nach, „Das ist mir ja noch nie aufgefallen! Dreh mal deinen Kopf nochmal, nee nich so, nach da!“

Unsicherheit macht sich in mir breit. „Nu hör doch mal auf.“ begegne ich verstört ihren nicht enden wollenden Aufforderungen meinen Kopf in die Richtung gedreht haben zu wollen in der sie mein Unheil nahen sah.

Sie gibt Ruhe, ändert ihren kommunikativen Kurs, weg von meinem „alten Hals“ hin zu dem was sie den Tag über beschäftigte. Wir trinken unseren Kaffee, geniessen die letzten Sonnenstrahlen und unterhalten uns angeregt über Gott und die Welt. Ruhig erhebe ich mich von der Bank, gebe vor wegen des Kaffee`s auf`s Örtchen zu müssen und kaum das ich aus ihrem Blickfeld entschwunden bin, stehe ich auch schon vor dem Spiegel. Meinen Kopf in alle Himmelsrichtungen bewegend suche ich nach meinem „alten Hals“.

Sie hat recht, es stimmt.

Ein unglücklicher Zufall will es, das meine Haut am Hals bei gewissen Bewegungen meines Kopfes ihre jugendliche Frische verloren hat. Das Hautbild welches bei diesen Bewegungen zum Vorschein kommt ähnelt dem eines ausgetrocknetem Flußbettes in Afrika.

Für Rollkragen ist es definitiv zu warm. Ich öffne die Türen unseres Badezimmerschrankes und suche nach… irgendwas muss es doch geben…. After Shave Balm. Revitalisierende Creme, Q10. Alles da. Erleichterung macht sich breit, wohl wissend das die Tage meines alten Halses gezählt sind. Gleich morgen früh, nach der Rasur geht es los mit dem Wellnessprogramm für meinen Hals.

Ich betrete die Terrasse, setz mich auf meine Bank und schenke mir noch einen Kaffee ein. Ich werde das Bild des ausgetrockneten Flußlaufes vor meinen Augen nicht los und denke mir das es auch unter dieser trockenen Kruste noch Leben gibt.

Rasur am nächsten Morgen. Kein Balm, keine Lotion. Leben.

Selig sein, einfach nur Leben, meine Lieblingsfrau lieben, Freude schenken, Freund sein und glücklich sein sind mir wichtiger als meinen „alter Hals“ zu glätten.

 

Author: admin

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